Selbstbild - Ein Thema für die Schule!

Von am 21. Juni 2022

In unserem Kulturkreis vermittelt die Schule eher selten ein flexibles Selbstbild. Was können wir daran ändern? – Lies hier den Abschluss zu meiner Serie zum Thema «Growth Mindset».

Die Krux mit den Noten

In den letzten beiden Beiträgen haben wir etabliert, wie wichtig unsere Einstellung zu Erfolgen und Lernprozessen ist. Da kommen wir unmöglich an den Spezialist*innen für Lernen vorbei: Den Lehrpersonen.

Als Lehrperson begegnet man Kindern in unzählig vielen Lernmomenten, im Angesicht von Erfolgserlebnissen und schlechter Noten. Zu letzteren muss kurz gesagt sein: Wer ein ehrlich flexibles Selbstbild mitprägen möchte, kommt nicht um die Erkenntnis herum, dass Prüfungsnoten nur wenig über einen Lernprozess aussagen können. Zu sehr hängt die Note vom Prüfungszeitpunkt, der Tagesform und dem Sozialvergleich (welche Leistung erbringen die anderen Prüflinge) ab. Wird eine Prüfung von der ganzen Klasse zu einem vorbestimmten Termin gleichzeitig geschrieben, ist die Note eine Momentaufnahme – und kein eindeutiger Hinweis darauf, ob die individuelle Person mit den richtigen Methoden und genug Zeit einen Lernstoff langfristig meistern kann.

«Ich sehe so viel mehr in dir als deine Noten und möchte dich in deinen Fähigkeiten und deiner Motivation stärken.»

Eltern und Lehrpersonen können gleichzeitig Noten respektieren und den Lernenden mitgeben: «Diese Zahlen sagen nur beschränkt etwas über dich aus. Sie sind ein Instrument in diesem Schulsystem. Ich sehe viel mehr in dir als deine Noten und möchte deine Fähigkeiten und Motivation stärken.»

Das Gehirn – Wie lernen tatsächlich funktioniert

Doch was können wir neben unserer Einstellung zu Noten noch tun, um ein Growth Mindset zu unterstützen? Es lohnt sich, Lernenden ein für Grundverständnis über die Funktionsweise ihres Gehirns zu vermitteln. Beim Lernen entstehen viele neue Verbindungen im Hirn, und je öfter man diese trainiert, desto gefestigter werden sie, desto nachhaltiger werden die Informationen gespeichert.

Ich übe, also lerne ich!

Wenn Kinder eine grundlegende Vorstellung davon haben – «Ich kann mein Gehirn trainieren – ähnlich wie einen Muskel!» -, motiviert sie das bereits ungemein. Es braucht Energie neue Verbindungen im Hirn anzulegen. Sie zu festigen (also: Wiederholen, üben, trainieren!) ebenfalls. LERNEN ist also anstrengend!

Der Unterschied zwischen Lernen und Erledigen wird oft vernachlässigt – dabei ist er sehr beachtenswert!

Daraus folgt auch: Wenn etwas einfach oder leicht war, hat man dabei nichts Neues gelernt, sondern etwas angewandt, das man bereits beherrschte. Man hat also nicht gelernt, sondern ERLEDIGT. 🤯

Eine Frage der Haltung

Umgekehrt gilt dann: Alles ist schwer, bevor es leicht ist!
Je mehr ich als Lehrperson von der Haltung wegkomme, dass die «schnell und fehlerfrei-Kinder» auch die schlausten und begabtesten sind, sondern sehe, dass sie einfach unterschiedlichen Punkten in einem langen Lernprozess stehen, desto mehr können auch diese Schülerinnen und Schüler ein flexibles Selbstbild entwickeln. (Genau: Auch die «guten» Schüler*innen brauchen oft Hilfe für ein Growth Mindset!)

Ein sehr effektiver Weg dazu ist, ab sofort jedes «Ich kann das nicht…», das man hört, mit einem überzeugten «Du kannst das NOCH nicht!» zu quittieren und mit den Kindern entsprechend immer wieder ihre Lernfortschritte zu reflektieren. Denn die Realität ist, dass sie jede Woche Dinge beherrschen, die sie in der Woche zuvor noch nicht konnten. F-E-H-L-E-R werden zu H-E-L-F-E-Rn (gleiche Buchstaben!) und Schwieriges wird weniger bedrohlich. Schliesslich schien mir das, wofür ich gerade ein Häklein von der Lehrperson erhalten habe, vor kurzer Zeit noch unmachbar!

Kein einfacher Job – aber einer, in dem man viel bewegen und Schönes bewirken kann.

Mutig und reflektiert dank flexiblem Selbstbild

Skeptiker*innen mögen kritisieren, diese Haltung fördere unrealistische Selbsteinschätzungen und Erwartungen, doch das Gegenteil ist der Fall: Sind erst wenig entwickelte Kompetenzen und Fehler nicht (mehr) mit Scham verbunden, fällt es Menschen jeden Alters leichter, diese ehrlich einzuschätzen und sich an Aufgaben heranzuwagen, die ein Risiko des «Nicht-Schaffens» bergen.

Du siehst: Ein flexibles Selbstbild zu fördern – das geht nur, wenn man / frau die eigenen Glaubenssätze hinterfragt und umdenkt. Der Aufwand lohnt sich! Denn ein flexibles Selbstbild hat wirklich KEINE Nachteile. Und wer möchte nicht Teil einer win-win-Situation sein?!

💡 Hast du noch Fragen zum Thema Selbstbild? Schick mir eine Mail an lernen@anninaimthurn.ch oder eine Direktnachricht auf Instagram @anninaimthurn. Ich freue mich, von dir zu hören!

Einer der grössten Antriebe des Menschen war schon immer seine Neugier. Ein flexibles Selbstbild sagt: «Was mich interessiert, dem widme ich mich, und wessen ich mich widme, darin werde besser.»

✨Bonus-Tipp✨: Eine fantastische Ressource für sowohl Eltern als auch Lehrpersonen ist übrigens das Instagram-Profil @learnLearningWithCaroline. Caroline von St. Ange gibt dort tolle Tipps für den Lern- und Schulalltag, immer gewürzt mit einer ordentlichen Portion Growth Mindset.