Aufgeschoben ist nicht [so leicht] aufgehoben

Prokrastination - gegeisselt ist, wer sie von Bachelorarbeit, Prüfungsvorbereitung oder anderen mühsamen Aufgaben kennt. Wieso fällt manchen von uns so schwer, zu tun, was wir eigentlich doch wollen? Und was können wir dagegen tun?

Von am 11. Oktober 2022

Die meisten Menschen kennen die Verhaltensweise, etwas Unangenehmes nicht sofort anzugehen, sondern es auf später zu verschieben. Das ist an sich kein Problem und kann durchaus eine richtige Entscheidung für den Moment sein. Wenn sich dieses Verhalten in einem Lebensbereich jedoch stark ausbreitet, leiden viele der Betroffenen darunter. Sie schämen sich, fühlen sich hilflos und können auch bewusste Pausen wegen ihrer Schuldgefühle nicht mehr geniessen. Das Unwohlsein führt jedoch oft zu einer Verschlimmerung der Problematik, anstatt zu einer Änderung. Weshalb ist das so?

Prokrastinieren – so geht’s

Aufschieber*innen lernen, dass sie den Druck, eine unangenehme Aufgabe zu beginnen, für einen Moment verringern können, wenn sie sich einer anderen Aufgabe widmen. Die Psychologie spricht hier von einer Verstärkung: Ein Verhalten – das Prokrastinieren – wird häufiger, weil es belohnt wird. In diesem Fall spricht man von einer negativen Verstärkung. Das Aufschieben wird durch das Nachlassen (Wegfallen = «minus» = negativ) des emotionalen Drucks belohnt und dadurch verstärkt. Allerdings nimmt auf Dauer die Anspannung durch Prokrastinieren zu und das schlechte Gewissen auch. Der Automatismus bleibt, denn unbewusst hat man ja gelernt, wie man mit schlechtem Gewissen umgehen kann – mit aufschieben, ablenken, wegschauen, herunterspielen.

Zum Verkriechen, dieses Aufschieben!

Verhalten ändern, aber wie?

Aufschieben ist also – wie so vieles andere auch in unserem Leben – ein automatisiertes Verhaltensmuster. Je länger einen dieses Verhalten bereits begleitet, desto stärker sind die entsprechenden Synapsen im Gehirn miteinander verbunden und desto schwerer fällt eine nachhaltige Verhaltensänderung. Diesen Mechanismus kennen viele von uns aus dem Instrumentalunterricht: Wenn der Lehrer meinte, wie sollten unsere Fingerhaltung bei diesem Akkord oder jenem Abschnitt ändern und wir fast verzweifelten 😣, weil unser Gehirn eben die bisher verwendete Haltung bereits fest automatisiert hatte!

Erste Erleichterung kann eine Änderung unserer Einstellung verschaffen: Ich persönlich habe das Wort «faul» fast komplett aus meinem Vokabular gestrichen. Denn egal, was ich tat: Mich selbst als faul auszuschimpfen, führte nicht zum Erfolg, sondern auf Dauer nur dazu, dass ich noch schlechter von mir selbst dachte. Wer seine Aufschieberei besser versteht, kann sich selbst darin konstruktiver begegnen. Es ist nicht einfach Faulheit, die uns zum Aufschieben bringt, sondern die Tatsache, dass Gewohnheiten nicht leicht zu überwinden sind.

Hilfe naht

Was also tun, wenn man wirklich etwas verändern möchte? Dazu eine Frage an dich: Wie begegnest du deinem kleinen Cousin oder deiner besten Freundin, wenn er oder sie an einer Sache verzweifelt? Genau: Du sprichst ihnen Mut zu und nimmst dir Zeit, mit ihnen nach Lösungen zu suchen. Dieses Verhalten ist auch ein möglicher Ausweg aus der Prokrastination: Verständnis zu haben für uns selbst, dass wir uns bisher einer Strategie bedient haben, mit mühsamen und vielleicht auch bedrohlichen Aufgaben umzugehen, die uns jetzt nicht mehr dient. Und dann Zeit zu investieren in das Entwickeln neuer Strategien.

Das Internet ist voll von Tipps gegen Aufschieben (und angeblichen quick fixes).
Ein unumgänglicher Punkt ist das Planen der unliebsamen Aufgabe: Was muss alles getan werden? Wann ist ein guter Zeitpunkt dafür innerhalb meiner Woche? Was brauche ich, damit ich im geplanten Moment direkt starten kann?

Lohnt sich: ein – realistischer! – Plan

Ebenfalls von grosser Bedeutung ist das Minimieren von Ablenkung. Stell die Push-Nachrichten auf dem Smartphone für die Mehrzahl deiner Apps aus, setz Kopfhörer mit Instrumentalmusik auf und ignoriere die ankommenden Mails für ein paar Stunden. Dein Gehirn wird es dir danken!
Ein Weg, wie Aufschieberinnen und Aufschieber sich oft selbst reinlegen, ist, indem sie sich sagen: «Ach, jetzt lohnt es sich nicht mehr anzufangen.» Oder: «Jetzt habe ich mich so angestrengt und doch wieder NUR eine halbe Seite geschrieben. Ich Versager!» Erfolgreiche Menschen wissen: Jeder kleine Effort summiert sich am Ende zu einem grossen Ganzen. Im Moment mag es aussehen, als wärst du heute nicht weit gekommen. Aber vielleicht wird es gerade morgen leichter laufen, wegen dem, was du heute gemacht hast.

Hilfe (an)nehmen

Prokrastinieren kann zu einer grossen Belastung werden. In diesem Fall machen punktuelle Unterstützung durch eine Lerntherapeutin oder eine sonstige Fachperson oft Sinn. Auf diese Weise können neue Strategien ausprobiert und automatisiert werden. Denn der wiederholte Austausch mit einer anderen Person wirkt oft Wunder, wenn es darum geht, grosse innere Widerstände zu überwinden. In diesem Fall lohnt sich die zeitliche und finanzielle Investition dann rückblickend um das Vielfache.

Kennst du gerade jemanden, der / die gerade eine schriftliche Arbeit schreiben muss und mit Prokrastinieren kämpft? Dann schau dir meinen anstehenden Workshop an, den Club der Aufschieber*innen: